KERNER, Justinus [1786-1862] und Marie NIETHAMMER [1813-1886]: Eigenhändiger Brief mit Unterschrift und Anschrift W[ei]nsb[erg] 25. Ap[ri]l [18]54 Quart 20 x 16,3 cm. 3 Seiten auf Doppelbogen. Sauberer Ausschnitt im unteren Rand, ohne Textverlust. Siegelrest mit Ausriss, teils sauber unterlegt. Mit Poststempel und Briefmarke.

Beschreibung

TODESANGST UND VERZWEIFLUNG Doppelbrief von Vater und Tochter an den Familienfreund Obertribunalpräsidenten Gustav von Pfaff in Esslingen gerichtet, mit einem ergreifenden Hilferuf des völlig verzweifelten Kerners nach dem Tod seiner Frau am 16. April 1854 nach langer Krankheit, der den größten Einschnitt in seinem Leben bedeutete. "Geliebtester! Man machte mir Hoffnung, du werdest zu mir kom(m)en in meiner Verzweiflung. Nun ist aber wieder alles nichts, wie mir Zim(m)erle sagte. Aber meine Verzweiflung steigt im(m)er mehr und es dauert mich meine arme Marie [Tochter], die selbst so kum(m)ervoll und krank ist u. mir auch sterben wird. Todesangst des Verbrechers ist keine Angst gegen meine Herzenangst. Es treibt mich hin u. her, im Haus u. dem Garten u. ich suche und rufe nach der die ich nicht mehr finde, die mich nicht hört. Die Erblindung, nicht nur meines Auges, auch meines Geistes, steigt stündlich u. ich bin in in einer furchtbaren Nacht des Geistes und des Leibes! Das ist mein Zustand! Gott erbarme sich meiner Euer unglücklicher Freund J. Kerner Schriftliche Trostworte helfen mit nichts klingen sie noch so lieb und schön!" Es schließt sich ein eigenhändiger Brief der Tochter Marie Niethammer mit Unterschrift an, die den Vater versorgt, in dem sie um den Besuch Pfaffs und seiner Frau bittet: "Verehrter Freund! Ich bitte Sie kom(m)en Sie bald zu meinem armen Vater, Sie thun ein Werk der Barmherzigkeit. Wen(n) Sie es richten können wäre ein Werktag besser als ein Son(n)tag, am Son(n)tag ist es unruhiger und wir möchte Sie gern ungestört haben. Recht lieb wäre es wen(n) die l Frau mitkäme, sie soll es thun. Mit herzlichen Grüßen Marie Nieth[ammer]".